„Nie weißt du, wie tief der Fjord ist, hier zehn Meter, und da hundert oder sogar tausend Meter…“
Tiefer Fjord ist gleichzeitig ein Roman und ein Thriller, der von der norwegischen Autorin Ruth Lillegraven verfasst wurde. Erschienen ist das Buch 2021 im List-Verlag. Die Schriftstellerin ist 1978 in Hardangar (Südwestnorwegen) geboren und hat seit 2005 schon einige Lyrikwerke, Kinderbücher sowie einen Roman veröffentlicht. Ihre Bücher wurden mit mehreren Preisen ausgezeichnet, wie dem Brage-Preis und dem Nynorsk Literaturpreis.
Haavard ist Arzt in der Kinderabteilung eines Krankenhauses in Oslo und hat erschreckend viele Fälle von Kindesmisshandlung. Nachdem er spätabends ein solches schwerverletztes Kind behandeln muss, geschieht grausiges: der Vater wird ermordet aufgefunden. Ein Mord aus Rache?
Haavards Frau Clara arbeitet zeitgleich in der Politik und möchte einen Gesetzesvorschlag gegen Kindesmisshandlung durchsetzen, doch dieser wird nur abgewimmelt. Das Paar hat ein Ziel: diese Gewalt zu unterbinden und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Doch das macht schließlich Haavard als Motiv und er wird verdächtigt.
Im Lauf des Buches gibt es immer wieder Throwbacks in Claras Kindheit, die ihre dramatische Vergangenheit erzählen und viele Dinge offenlegen. Wer ist der Täter? Und was genau treibt ihn an?
Ich finde den Thriller-Roman spannend geschrieben und schon auf den ersten Seiten wird man in eine andere Welt hineingezogen. Mein erster Eindruck war sehr gut, weil die Personen und die Zusammenhänge gut zu erfassen waren. Gleich zu Beginn kommt ein großes Ereignis, das den Leser emotional in die Story einführt. Für mich ist das eines der wichtigsten Kriterien, da sonst die Geschichte an einem vorbeizieht. Diese Spannung zieht sich durch das ganze Buch; wird durch unerwartete Plot-Twist andauernd angehoben. Erst das macht den Roman so fesselnd.
Die Abwechslung der Handlungsorte fand ich wunderbar. Zum Beispiel wurde der Alltag in der Stadt beschrieben, aber auch der Urlaub am Fjord und in den Bergen Norwegens. Das fand ich schön und ich konnte mich noch besser in die Situation hineinversetzen.
Wie schon erwähnt gibt es ab und zu Rückblenden in Claras Kindheit. Das hat einen Grund: man kann ihr Handeln viel besser nachvollziehen und sie besser verstehen. Der ganze Thriller ist aber auch ein Kampf mit einem selber, denn man weiß nicht so recht, ob man das Tatmotiv gutheißen kann oder nicht. Wie würde man selber handeln? Was haben die Figuren falsch gemacht?
„Der Fjord, mit all den großen Fischen und Schweinswalen und Autowracks und Gott weiß was noch darin. Der Fjord ist sein eigenes Heer.“
Eigentlich kann ich nicht viel Schlechtes über das Buch sagen, weil es einer der wenigen Krimis ist, die leicht zu erfassen sind. Es gibt wenig Textpassagen, die man nicht versteht und die Sprache ist sehr verständlich. Die Figuren wurden auch gut gewählt, weil man sich mit Haavard und seinem Alltag als Vater identifizieren kann. Auch die Familie seiner Frau Clara und ihre persönliche Geschichte machen die Geschichte lebendiger. Im Laufe vom Buch kann man sich so immer mehr Dinge erklären.
Was ich allerdings zu bemängeln finde, sind manche brutale Beschreibungen, die mich echt geschockt haben. Das soll den Leser vielleicht aufwachen lassen und auf das Problem aufmerksam machen, mag aber nicht jeder.
Schlussendlich würde ich Tiefer Fjord vier von fünf LESEPUNKTEn geben. Das Buch kann ich aber dennoch jedem Psycho-Thriller-Leser empfehlen!