Morton Rhue: American Hero

Lesepunkte: 3 Punkte
AutorIn: Morton Rhue
Titel: American Hero
Verlag: Carlsen ISBN: 978-3-551-31685-1
Seiten: 176 Preis: 10,99€
Altersempfehlung: ab 13 Jahren

Rezensiert von: Erik Baum [Freiherr-vom-Stein Gymnasium Leverkusen, betreut von Christoph Heckl]

Amerikanischer Held – so lautet die deutsche Entsprechung des Titels des Romans „American Hero“ vom amerikanischen Autor Morton Rhue und ist nicht zufällig gewählt, denn die Ambivalenz des Titels trifft den thematischen Rahmen des Romans zwischen den Kriegstraumata einer Generation von amerikanischen Soldaten und der patriotischen Verklärung und Verherrlichung des Kriegseinsatzes auf den Punkt.  Grundlage des Romans bilden die Erfahrungen des fiktiven Soldaten Jake Liddel, der sich wie viele seiner Altersgenossen für eine Karriere bei der Armee entscheidet und bereits auf der Highschool an einem Programm zur Vorbereitung auf eine militärische Laufbahn teilnimmt. Die Handlung wird nach seinem Eintreffen in seiner Heimatstadt nach Ende seines ersten Einsatzes auf zwei Ebenen, der Gegenwarts- und der Vergangenheitsebene fortgeführt, wobei erstere vor allen Dingen Jakes inneres Ringen, um eine Verarbeitung seiner Erlebnisse und den Konsequenzen, die er daraus zu zieht, thematisiert, während die Vergangenheitsebene dem/der Leser*in eindringlich die grauenhaften Erlebnisse der Soldaten schildert und damit die Rechtfertigung für Jakes oft sehr resolut wirkendes Handeln in der Gegenwart liefert.

Im weiteren Handlungsverlauf rückt dann in der Gegenwart auch immer mehr die kritische Auseinandersetzung Jakes mit dem System in den Vordergrund, welches ihn und unzählige andere Jugendliche über die grausame Realität der Kriegseinsätze im Unklaren gelassen hat. Ebenso wird Jake mit der eigenen Entfremdung von seiner Familie, seinen Freunden, und seiner Freundin konfrontiert, die seine Erfahrungen und sein Traumata nicht mit ihm teilen können. Die sicherlich größte Leistung des Autors Morton Rhue, der selbst nie an einem Krieg teilgenommen hat, ist dabei sicherlich die Skizzierung eines emotional authentischen und menschlich nachvollziehbaren Erfahrungsberichts eines jungen amerikanischen Mannes. Dabei ist er sich, ohne dabei idealistisch zu werden auch des fundamentalen Problems des Umgangs der amerikanischen Gesellschaft mit Krieg und der Rekrutierung von Minderjährigen durch die JROTC – (Junior Reserve Officers' Training Corps) Kurse des amerikanischen Militärs an Highschools, bewusst. In den Momenten, in denen Rhue aus der Perspektive Jakes mit enormer Wucht die Erfahrungen des jungen Soldaten schildert, vermag das Buch zu glänzen.

Leider bleibt es aber nicht dabei. Statt sich auf eine neutrale Wiedergabe der Erlebnisse Jakes zu beschränken, lässt Rhue oft eine mehr oder weniger unterschwellige Botschaft in Jakes gedanklichen Konstrukten mitschwingen; das in einem Antikriegsroman der Protagonist auch eindeutig Antikriegsgedanken und –aussagen tätigt, ist ja logisch nachvollziehbar und ethisch ohnehin unantastbar, aber die Art wie Jake manchmal fast schon pathetisch und unnötig kommentierend aus dem Geschehen heraustritt und Aussagen tätigt wie: „Vielleicht finden wir ja eines Tages eine Antwort auf ihre Fragen. Warum wir in den Krieg ziehen müssen. Warum Millionen von Menschen getötet und verstümmelt werden müssen.“ (S.136) reißt den/die Leser*in völlig aus der Immersion von Jakes Rolle heraus.  Das ist umso ärgerlicher, als dass Jake auf den Rest der 170 Seiten des Romans bewundernswert authentisch dargestellt wird und die einzelnen unpassenden Versatzstücke den ansonsten auf hohem Niveau geschriebenen Roman viel von seiner Aussagekraft nehmen.

„American Hero“ bemüht sich, die Grausamkeit des Krieges durch eine ungeschönte und daher oft brutale und teils verstörende Darstellung des Kriegsgeschehens ansatzweise wiederzugeben. Im Zusammenspiel mit der (weitestgehend) gelungenen Immersion mit den Gedanken des Protagonisten in der Gegenwart zeichnet Morton Rhue ein authentisches Bild des problematischen Umgangs der amerikanischen Zivilgesellschaft mit Krieg und den Einsatz junger Menschen in diesem in Form eines individuellen, menschlichen Erfahrungsberichts. Einzig die Kommentare Jakes, welche die kriegskritische Haltung des Romans zu direkt betonen, erschweren die Lektüre; denn auch wenn Antikriegsliteratur den Krieg klar verneinen darf und soll, ist sie erst dann am aussagekräftigsten, wenn sie ihre Botschaft nicht vorgekaut entgegenwirft, sondern die Leserschaft durch das Zeigen des Krieges zu diesem Schluss kommen lässt.

 

Ich vergebe 3 von 5 möglichen Lesepunkten.

Aufgrund der erwähnten ungeschönten Sprache kann ich das Buch jedoch nicht für Kinder unter 13-14 Jahren empfehlen.

Empfohlene Zitierweise

Erik Baum, Rezension von: Morton Rhue: American Hero. In: LESEPUNKTE 2020, https://www.lesepunkte.de/rezensionen/morton-rhue-american-hero
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