Erich Maria Remarque: Drei Kameraden

Lesepunkte: 5 Punkte
AutorIn: Erich M. Remarque
Titel: Drei Kameraden
Verlag: Kiepenheuer & Witsch, 2014 ISBN: 978-3-462-04631-1
Seiten: 592 Preis: 10,00 Euro
Altersempfehlung: All Age

Rezensiert von: Erik Baum [Freiherr-vom-Stein Gymnasium Leverkusen; betreut von Christoph Heckl]

Wo Remarques „Im Westen nichts Neues“ und  „Der Weg zurück“ sicherlich zu den bekanntesten (deutschsprachigen) Werken der Antikriegsliteratur gehören und sich mit der menschenverachtenden Grausamkeit des Krieges bzw. seinen Folgen befassen, schlägt „Drei Kameraden“, das dritte Buch dieser Romanreihe einen spürbar anderen Weg ein und ist weniger als Anklageschrift gegen den Krieg entstanden als vielmehr aus tatsächlichen schriftstellerischen Ambitionen Remarques, der sich damit endgültig als Schriftsteller von Weltrang etablierte.

Im Wesentlichen handelt es sich bei „Drei Kameraden“  um eine Erzählung aus dem Leben des ehemaligen Soldaten Robert Lohkamp, der  aus der gleichen Einheit wie die Protagonisten der ersten beiden Romane stammt und sich gut ein Jahrzehnt nach dem Ende des Krieges mit zwei ehemaligen Kameraden (daher auch der Name) in Berlin eine bescheidene Existenz aufgebaut hat. Lohkamp scheint des Trauma des Krieges halbwegs verwunden zu haben, wird den Leserrinnen und Lesern allerdings als vom Leben gezeichnete  Figur präsentiert, die längst jedwede Zukunftspläne aufgegeben hat und angesichts seiner verzweifelten Situation übermäßig dem Alkohol zuspricht. Dabei ist Lohkamp aber keineswegs labil oder emotional fragil, vielmehr lässt der sich vom Leben vielfach enttäuschte Mechaniker und nach Ende des Krieges mit der Aufarbeitung seiner Traumata alleingelassene Ex-Soldat nur noch treiben. Diese Situation wird jedoch dadurch aufgebrochen, dass der Protagonist die junge Frau Patrice Hollman kennenlernt und sich in sie verliebt.

Was folgt, ist eine zutiefst emotionale und mitreißende Liebesgeschichte mit einem tragischen Ende, die von jedweder Form von Kitsch nicht weiter entfernt sein könnte. In dem von der Wirtschaftskrise und politischer Instabilität schwer getroffenen Berlin der zwanziger Jahre inszeniert Remarque mit einer zugleich unfassbar ausdrucksstarken wie poetischen Sprache das Aufeinandertreffen zweier verlorener Seelen, die sich haltsuchend aneinanderklammern, um nicht in den Strudel aus Hoffnungslosigkeit und Elend, der die Welt erfasst zu haben scheint, unterzugehen. Dies tut er virtuos mit einer Tiefe und Authenzität, die noch über jene der Vorgängerromane hinausgeht.

Durch Patrice lernt Lohkamp wieder Hoffnung kennen und erfährt zum ersten Mal seit langer Zeit wieder so etwas wie Glück. Tatsächlich ist es aber nicht diese Liebesgeschichte an sich, die „Drei Kameraden“ zu einem gelungenen Buch macht, vielmehr sind es die tiefgründigen Reflexionen und Gedankenwelten des Protagonisten, die dem Werk so etwas wie eine innere Wahrheit über das Leben in all seinen Facetten verleihen. Dadurch liest sich der Roman ungemein befriedigend, intensiv und mitreißend. Und diese innere Wahrheit in Verbindung mit dem zutiefst tragischen und aufwühlenden Ende ist es auch, die das Gesamtwerk trotz seiner beachtlichen Länge und teils recht ausführlichen Abschweifungen in sich geschlossen, einheitlich und prägnant erscheinen lässt.

„Drei Kameraden“ ist ein kluges, ein intelligentes Buch, das sich und seine Charaktere derart geschickt präsentiert, dass man beim Lesen regelrecht hineingesogen wird.  Es ist ein Buch voller Tiefgründigkeit sowohl bezüglich der Charaktere selbst als auch der Überlegungen und Ansichten, die sie äußern. Ich persönlich bin zutiefst beeindruckt von diesem Roman, der zugleich ein Lehrstück über das Leben ist, voller Wahrheiten und unbeantworteter Fragen, die unweigerlich zum Nachdenken anregen und kann, nein, muss ihn unbedingt wärmstens weiterempfehlen. In meinem ganzen Leben war ich noch nie so beeindruckt von einem Stück Literatur.

Ich vergebe fünf+ von fünf Lesepunkten.

Empfohlene Zitierweise

Erik Baum, Rezension von: Erich Maria Remarque: Drei Kameraden. In: LESEPUNKTE 2019, https://www.lesepunkte.de/rezensionen/erich-maria-remarque-drei-kameraden
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2 Antworten

  1. Eine wunderbare Rezension!!!
    – sprachlich auf hohem Niveau und frei von modischen Spachakrobatiken.
    – eine höchst mitnehmende Lektüre….
    Danke!

  2. Ich habe „Drei Kameraden“ in den 1960er Jahren erstmals gelesen, und seitdem mindestens zwanzig weitere Male. Für mich ist es das beste Buch überhaupt, nicht nur von Remarque, und ich habe in meinen 82 Lebensjahren unendlich viele Bücher gelesen. Auch andere Werke von Remarque.
    Es gibt wenige Schriftsteller seines Formats. Leider.

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