„Kein Schutz, kein Dach, am Anfang nicht mal eine Decke…“
Alles was die junge Katalanin, Maria Soraya, jemals gekannt hatte, ist dem faschistischen Franco-Regime zum Opfer gefallen. Ihre Heimat, ihre Eltern, ihr Hab und Gut und schließlich in einem Flüchtlingslager in den Ost-Pyrenäen ihre Schwester. Sie hat nichts mehr, bis eine Bäckerin aus Villefranche sie als Zwangsarbeiterin mitnimmt. Entgegen Marias Erwartungen von ewiger Verachtung und Unglück findet sie in Villefranche Menschen, welche sich aufrichtig für sie zu interessieren scheinen zum Beispiel Agnés, die Tochter des stellvertretenden Bürgermeisters, oder den Pfarrer der örtlichen Kirche. Mit diesem kleinen Schimmer Hoffnung kehrt auch ein wichtiger Bestandteil ihres früheren Lebens zurück. Die Musik. Vor ihrer Flucht war sie Klavier- und Cellostudentin bei dem Bekannten Musiker Pau Casals.
Während ihrer Zeit in Villefranche findet sie heraus, dass Casals in einem nahegelegenen Ort lebt und dort selten noch Konzerte für spanische Flüchtlinge gibt. Sie nimmt den Kontakt zu ihm auf und beginnt mit seiner Unterstützung wieder das Cellospielen. Hierbei nimmt der antifaschistische alte Musiker eine Art Vaterfigur für Maria ein.
Lebhaft und nah
Angesichts der schwermütigen Themen in „Das Mädchen und die Nachtigall“ ist es, meiner Meinung nach, sehr angenehm dieses Buch zu lesen. Dies entsteht dadurch, dass auf jede Passage, welche von negativen Gefühlen wie Trauer, Verlust oder Angst geprägt ist, eine Passage folgt, in der die Leser*innen Zeit zum Durchatmen haben und begleitet von entschleunigten Alltagssituationen und szenischen Beschreibungen der Ost-Pyrenäen verarbeiten können, was gerade gelesen wurde.
Die Geschichte ist sehr bewegend, da man immer wieder vor Augen geführt bekommt, wie der Krieg und Faschismus die Menschen noch lange nachher beeinflusst. Bücher, die solche Geschichten erzählen, sind gerade jetzt besonders wichtig, um zu verstehen, wie es vielen Menschen momentan ergeht. Ich finde „Das Mädchen und die Nachtigall“ ist ein gutes Buch, wenn man sich mit diesem Thema auseinandersetzen möchte, allerdings wenig Vorwissen über die Zeit des Franco-Regimes und den Zweiten Weltkrieg hat, da die Geschichte auch ohne historischen Kontext gut zu verstehen ist. Anders als viele andere Romane, welche zu dieser Zeit spielen, ist „Das Mädchen und die Nachtigall“ durch die Direktheit und Klarheit der Sprache leicht verständlich, verliert dadurch aber nicht an Originalität oder Spannung. Die Beschreibungen der Umgebung sind sehr szenisch und ich konnte als Leser sehr gut in die Geschichte eintauchen. Die Charaktere sind vielfältig und als Leser baut man schnell eine Bindung zu ihnen auf, was die Gefühle beim Lesen intensiviert.
Geeignet für 15- bis 17-Jährige
Da die Hauptfigur selber gerade so keine Jugendliche mehr ist, ist der Roman auch nicht all zu kompliziert, sodass man ihn mit dem Basiswissen über den Zweiten Weltkrieg gut verstehen kann. Für jüngere Leser würde ich den Roman allerdings noch nicht empfehlen, da die Themen doch schon sehr bedrückend sein können und mit dem nötigen Respekt behandelt werden müssen, welcher einen gewissen Wissensstand erfordert.
Daher gebe ich dem Roman 4 von 5 LESEPUNKTEN.