Antonia Michaelis: Scheißglitzertage

Lesepunkte: 5 Punkte
AutorIn: Antonia Michaelis
Titel: Scheißglitzertage
Verlag: Oetinger ISBN: 978-3-7512-0393-7
Seiten: 400 Preis: 20,00€
Altersempfehlung: ab 14 Jahren

Rezensiert von: Katharina Fritz, 11. Klasse [Gymnasium Markt Indersdorf, betreut von Silke Christa]

„Scheißglitzertage. Ein bisschen die Welt sehen war der Plan. Was du jetzt sehen wirst, weiß keiner.“ (S. 307)

Es sind Sommerferien auf der Insel Usedom. Der 17-jährige Finnley jobbt als Eisverkäufer. Sobald er genügend Geld verdient hat, will er weg. Weg aus der Platte in Wolgast, aus dem „Ghetto", raus in die Welt. Ohne die Familie, nur er und seine Freunde Neil und Leif.

Als Ulja, die aus der Ukraine geflohen ist, wie aus dem Nichts an seinem Eiswagen auftaucht und ihm erzählt, dass sie nach Berlin fahren und dort Sängerin werden will, scheint sein Traum vom Glitzerleben zum Greifen nahe. Doch es herrscht Unruhe auf der Insel. Plötzlich ereignen sich einige seltsame Todesfälle. Mord? Auch Ulja bereitet den Jungs einiges Kopfzerbrechen, denn sie taucht immer genauso unvermittelt auf, wie sie wieder verschwindet. Außerdem rüstet das Militär immer weiter auf. Angeblich alles nur eine Übung – aber eben nur angeblich, wenn man den Gerüchten auf Facebook Glauben schenkt.

Und auch der Krieg scheint gar nicht mehr so weit weg …

Das Buch ist in der ersten Person aus Finnleys Perspektive geschrieben. Durch die jugendliche Erzählstimme kann man der Geschichte leicht folgen, der Schreibstil ist sehr flüssig und kurzweilig. Doch Finnley ist auch ein Träumer, und so schwingt zwischen den Zeilen immer wieder eine gewisse Sehnsucht mit. Auch den anderen Figuren verleiht die Autorin eine authentische Stimme, sei es Uljas Akzent oder die kindliche Ausdrucksweise von Finnleys kleinen Geschwistern Raymon und Kira. Insgesamt sind die Charaktere sehr lebendig gestaltet. Neil arbeitet beim Bestatter, wirkt mit seinem schwarzen Anzug und Hut immer etwas deplatziert und irritiert sein Umfeld regelmäßig durch seine Ernsthaftigkeit und seine Besessenheit von Toten, Beerdigungen und der Bibel. Leif besucht ebenso wie die beiden anderen die Förderschule, ist etwas behäbig, aber ein sehr treuer Freund und hat eine seltsame Vorliebe für Stöcke. Finnley sorgt für alle anderen und zu wenig für sich selbst, hat vor fast allem Angst und ist dabei doch erstaunlich mutig. Und Ulja ist ein wandelndes Rätsel, sie ist ebenso liebenswert kindisch und lebensfroh wie verschwiegen und geheimnisvoll. Auch die Nebencharaktere bleiben nicht farblos.

Es ist eine Geschichte von Freundschaft, Träumen und Liebe, die sich zu einem hochspannenden Thriller entwickelt.

Doch auch einige ernste Themen werden angesprochen. So zum Beispiel der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, vor dem Ulja geflohen ist, oder die Armut, mit der Finnley, seine Freunde und seine Familie zu kämpfen haben, und die Vorurteile, denen sie begegnen. Außerdem gibt es eine Triggerwarnung für beispielsweise Essstörungen, Drogenmissbrauch, Rassismus, Gewalt und sexuelle Belästigung. Neben der Triggerwarnung hinten im Buch ist vorne auch die Nummer gegen Kummer angegeben.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Die Story, die am Anfang ein wenig zum Träumen einlädt, hat mich bald nicht mehr losgelassen. Es ist ein sehr aktueller Roman, der viele ernste und wichtige Themen abdeckt und dadurch eine besondere Tiefe entwickelt. Auch die Charaktere sind mir sehr ans Herz gewachsen, jeder hat seine Eigenheiten und ist gerade deshalb sehr lebendig und liebenswert. Besonders spannend ist die Geschichte deshalb, weil sie nicht sehr weit hergeholt, sondern erschreckend realistisch wirkt und zeigt – aber das führt vielleicht schon zu weit – wie leicht die Menschen zu manipulieren sind.

Antonia Michaelis hat mich mit ihrem Coming-of-Age-Roman „Scheißglitzertage" auf ganzer Linie überzeugt. Daher gebe ich dem Buch 5 von 5 LESEPUNKTEN.

Katharina Fritz, Jahrgangsstufe 11,

Empfohlene Zitierweise

Katharina Fritz: Rezension von: Antonia Michaelis: Scheißglitzertage. In: LESEPUNKTE 2024, https://www.lesepunkte.de/rezensionen/antonia-michaelis-scheissglitzertage/ ‎
Bitte setzt hinter die URL-Angabe in runden Klammern das Datum Eures letzten Besuchs dieser Online-Adresse.

Noch keine Kommentare bis jetzt

Einen Kommentar schreiben